Freitag, 21. März 2008

Alinghi von der Überheblichkeit in die Defensive

Bertarelli liegt auf dem Ring-Boden, doch geschlagen ist er noch nicht
slg. / NZZ Online

In seinem ersten Kommentar nach der Niederlage vor dem New Yorker Gericht wechselte Ernesto Bertarelli in die Boxer-Sprache: «Ich war es nicht, der den ersten Faustschlag führte», meinte der Alinghi-Boss und beschwor gleichzeitig die «Rückkehr auf das Wasser». In diesem Element ist der Genfer Milliardär, was den America's Cup betrifft, nach wie vor ungeschlagen. Im juristischen Seilviereck jedoch, in das ihn sein Gegner, der Oracle-Boss Larry Ellison, getrieben hat, erlitt er nach einem monatelangen Kampf eine schwere Niederlage; in der Welt des Boxens würde man von einem klassischen Niederschlag sprechen.

Die Trümpfe verspielt
Wie hat es so weit kommen können, dass ein zweifacher Cup-Sieger, der nach einer erfolgreichen Defence in Valencia alle Vorteile auf seiner Seite hatte, nur acht Monate später zu einem direkten Duell mit einem Herausforderer gezwungen wird, der die Regeln diktieren kann und erfolgreich verhindern wird, dass sich der Cup im Sinne Bertarellis weiterentwickelt? Die Frage lässt sich einfach beantworten: Alinghi hat die Trümpfe, die es besass, leichtfertig verspielt. Der überlegene Sieg und die erfolgreiche Organisation des 32. Cups, der einen Reingewinn von über hundert Millionen Franken generierte, führten auf Seiten des Siegers zu einer leichtfertigen Überheblichkeit, die in die Ausarbeitung eines (zu) einseitigen Protokolls für den nächsten Cup und in die Wahl eines Challenger of Records mündete, der, wie das New Yorker Gericht nun definitiv bestätigt hat, nicht den Anforderungen der Deed of Gift (Stiftungsurkunde) entsprach.

Zu forsch, zu eigensinnig
Hinter alldem mag die redliche Absicht Bertarellis gestanden haben, den Erfolg des Cups nicht nur zu wiederholen, sondern sogar zu übertreffen – mit einer noch stringenteren Kontrolle des Anlasses. Doch in der Welt des Cups, einer Welt aus Neid und Missgunst, wo reiche Selbstdarsteller das Zepter führen, ist das mit Risiken behaftet – besonders, wenn der Gegner Larry Ellison heisst. Alinghi trieb es zu sehr auf die Spitze und wollte den Event vollständig kontrollieren; Bertarelli und sein Beraterstab schätzten die (juristische) Situation falsch ein und verpassten es später, auf Kompromissvorschläge des Gegners einzugehen.

Im Moment liegt Bertarelli auf dem Ring-Boden, doch geschlagen ist er noch nicht. Seine Absicht, die Entscheidung auf das Wasser zu verlegen, bringt endlich Licht in den langen (juristischen) Tunnel. Ein Deed-of-Gift-Rennen, wenn auch vom sportlichen Standpunkt aus gesehen fragwürdig, wird die verfahrene Situation endlich bereinigen. Alinghi hat jedoch seine Vorteile verloren. Weil keine Einigung zustande gekommen ist, kann Oracle gemäss der Stiftungsurkunde die Grösse der Jacht bestimmen (voraussichtlich ein Trimaran), zudem sind die Amerikaner in den Vorbereitungen zu diesem bizarren Rennen wesentlich weiter als die Schweizer.

Auch punkto Datum besitzen Ellison und sein Skipper Russell Coutts die besseren Karten: Sie wollen den Best-of-three-Match noch in diesem Jahr austragen, wie das in der nun vom Gericht als legal bezeichneten Herausforderung festgelegt ist. Alinghi hingegen möchte um jeden Preis eine Verschiebung auf nächstes Jahr erreichen, die es in Verhandlungen mit Oracle oder aber vor einem Schiedsgericht oder gar erneut vor Gericht erstreiten muss. Als «Gegenpfand» besitzt der Defender das Recht, den Austragungsort zu bestimmen. Das kann er relativ kurzfristig tun, was ein Nachteil für Oracle wäre.

Alinghi-Forfait als Bumerang
Falls Oracle seine Strategie, den 33. Cup um jeden Preis 2008 zu segeln, durchsetzen sollte, droht ein Forfait Alinghis, weil das Team noch nicht bereit ist. Das könnte sich für Ellison als Bumerang erweisen. Schon heute muss er mit dem Stigma leben, durch seine juristischen Aktionen alle übrigen Challenger vom Cup ausgeschlossen zu haben. Den Cup per Kurier in Genf abzuholen, würde sein Image noch mehr schädigen. Vielleicht ist es im Segeln ähnlich wie im Boxsport: Ein Niederschlag bedeutet noch keinen Sieg – und ein angeschlagener Boxer kann sehr gefährlich sein.

NZZ Online

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