Mittwoch, 30. Juli 2008

Alinghi tanzt auf mehreren Rümpfen

27. Juli 2008, NZZ am Sonntag - Alinghi tanzt auf mehreren Rümpfen
Der nächste America's Cup wird auf Katamaranen oder Trimaranen ausgetragen. Französische Spezialisten bringen dem Cup-Sieger bei, wie man damit segelt.


Von Walter Rüegsegger

Auf der Landzunge Kéroman beim Fischerhafen von Lorient sind die Zeugen der Vergangenheit mächtig. Riesige Betonbunker erinnern an die schweren Zeiten der bretonischen Stadt, als die alliierte Luftwaffe versuchte, die Unterstände des grössten U-Boot-Stützpunktes der deutschen Kriegsmarine zu knacken. Nur ein paar Schritte von diesen grauen Mahnmalen entfernt steht ein brandneues Gebäude mit einem rund 40 Meter hohen Metallturm. Darin ist ein Museum untergebracht, das dem französischen Seehelden Eric Tabarly gewidmet ist. Er war es, der als Erster Jachten mit mehreren Rümpfen rennmässig einsetze und von ihrem Geschwindigkeits-Potenzial überzeugt war.

Vierzig Jahre ist das jetzt her, und inzwischen ist Lorient zum eigentlichen Zentrum der Katamarane und Trimarane geworden. Der Mann, der die Multihulls in die Stadt geholt hat, ist der einheimische Segler Alain Gautier. Zahlreiche Siege hat er auf zwei und drei Rümpfen erzielt. Als Alinghi im Frühling den Franzosen verpflichtete, konnte der Defender auch ein Stück Infrastruktur mieten: einen Hangar und zwei 60-Fuss-Trimarane. Der eine davon gehört Gautier, der auf dem High-Tech-Gerät (Baujahr 2001) den Alinghi-Seglern die hohe Kunst des Segelns auf drei Rümpfen beibringt.

Unterstützt wird der Coach und Berater von seinem französischen Landsmann Franck Proffit, auch er ein Ass aus der französischen Multihull-Szene. Die beiden stehen den zwei Alinghi-Besatzungen von je etwa zehn Mann zur Seite. Die Aufgabe ist enorm: In weniger als einem Jahr muss die Alinghi-Crew mit einem riesigen Mehrrumpf-Boot den Cup gegen Oracle verteidigen. Das Segeln auf zwei oder drei Kufen ist für die meisten Neuland. Im Gegensatz zu Einrümpfern sind Multis reine Hochgeschwindigkeitsboote. «Man muss Gas geben – und darin liegt das Problem. Denn das Segeln auf zwei oder drei Rümpfen ist delikat», sagt Alain Gautier. «Es sind Boote, die keinen Fehler dulden.»

In den vergangenen Tagen profitierten die Segler vom milden Sommer, der in der Bretagne erst letzte Woche Einzug gehalten hat. Das Meer zwischen dem Hafen und der nahen Insel Groix war flach, der Wind schwach. Anders als Ende März: Damals kenterte der 60-Fuss-Trimaran bei 20 Knoten Wind und hohem Wellengang; mehrere Segler erlitten Verletzungen. «Man muss immer auf der Hut sein, auch bei schwachen Winden.» Nach Ansicht von Franck Proffit ist auf einem Kat oder einem Tri die Zusammenarbeit zwischen dem Steuermann und den Trimmern der schwierigste Teil. Wenn das Steuern und das Trimmen zur gleichen Zeit passiert, gelingt das ideale Manöver. «Diese Osmose müssen wir in der verbleibenden Zeit bis zum Cup erreichen», sagt der 45 Jahre alte Segler.

Ob es zwischen Alinghi und Oracle zu einem Kat- oder aber zu einem Tri-Duell kommt, ist die grosse Frage. Sie wird, zumindest was die Amerikaner angeht, in den nächsten Wochen beantwortet werden. Der Challenger hat die Wasserung seines Monsters für die nächsten Wochen angekündigt. Alinghi hingegen wird seine Rennjacht nicht vor Ende Jahr fertig gebaut haben. Man sei im Plan, hiess es in Lorient. Die Designer der beiden Opponenten kündigen Jachten an, wie man sie noch nie gesehen habe. 28 Meter lang (Wasserlinie), der Mast gegen 60 Meter hoch und das Boot kaum 12 Tonnen schwer – diese Daten werden prophezeit. Französische Experten der Multihull-Szene tippen eher auf einen Trimaran als einen Katamaran.

Obschon Alinghi zeitlich einen Rückstand aufweist, hat der Defender noch ein Ass im Ärmel: Die Schweizer können den Ort auswählen, wo die Best-of-Three-Regatta stattfinden soll. Ein Vorteil, denn die Amerikaner werden erst ein halbes Jahr vor dem ersten Rennen wissen, ob es sich um ein Leichtwindrevier handelt oder nicht. Dafür kann Oracle den Gegner mit dem Schiffszertifikat hinhalten. Dieses wichtige Papier muss der Challenger, der im vorliegenden Fall den Schiffstyp bestimmen kann, dem Defender übergeben, damit dieser sich auf die Herausforderung einstellen kann.

Um für das Giganten-Duell auf zwei oder drei Rümpfen gerüstet zu sein, bildet Alinghi seine Segler auf diversen Mehrrumpf-Typen aus. Verschiedene Segelteams nehmen an Regatten teil. Dabei geht es einzig darum, Erfahrung im Umgang mit dem ungewohnten Sportgerät zu sammeln. Die Amerikaner machen es ähnlich. Das gibt den beiden Syndikaten auf diesem Gebiet einen grossen Wissens- und Erfahrungsvorsprung. Kein Wunder also, dass in beiden Lagern nicht mehr ausgeschlossen wird, den übernächsten America's Cup erneut auf Mehrrumpfbooten auszutragen.

Renndatum ist noch offen
Vor gut einem Jahr verteidigte Alinghi in Valencia den America's Cup erfolgreich. Im Rausch des Sieges schufen Ernesto Bertarelli und seine Berater ein Protokoll für den nächsten Cup, das Alinghi erhebliche Vorteile verschaffte. Da auch der gewählte Challenger of Record, ein eben erst gegründeter spanischer Segelklub, der Stiftungsurkunde nicht entsprach, klagte Oracle vor Gericht erfolgreich das Recht ein, Alinghi direkt herauszufordern. Die Amerikaner entschieden sich für eine Challenge mit der grösstmöglichen Jacht, einem Mehrrumpf-Boot von 90×90 Fuss. Vor dem Berufungsgericht in New York ist noch eine Klage von Alinghi hängig: Der Defender will nicht an dem vom Gericht festgelegten Datum (12. März 2009) segeln, sondern frühestens Anfang Mai, da die Deed of Gift Cup-Regatten im Winterhalbjahr in der nördlichen Hemisphäre verbietet. Alinghi würde mit einem Mai-Datum wertvolle Zeit zum Training gewinnen. (wr.)


Vom kleinen Katamaran bis zum grossen Trimaran – die Trainingsboote der Alinghi-Crew
Décision 35 (D35) . Der kleinste der Trainings-Katamarane von Alinghi. Gebaut von der Décision SA, jener Firma, welche die Cup-Boote von Alinghi konstruierte und gegenwärtig in Villeneuve das Mehrrumpf-Boot baut. Die schnellen und kleinen Kats segeln vorwiegend auf dem Genfersee. «Auch wenn der Kat klein ist, kann man lernen, bei wenig Wind zu segeln», sagt Alinghi-Trimmer Nils Frei. Und Alinghi-Coach Pierre-Yves Jorand spricht von einem sehr nervösen Boot. Man könne auf dieser Jacht ideal die technischen Aspekte des Segelns üben. Die Boote sind knapp 11 Meter lang und nur 1200 Kilo schwer. Gesegelt wird mit fünf bis sechs Mann. An der Challenge Julius Baer auf dem Genfersee nehmen zehn Profiteams teil. Nach drei von sechs Regatten liegt Alinghi in Führung. Die Crew wird von Alinghi-Eigner Bertarelli, Pierre-Yves Jorand, Nils Frei, Yves Détrey und Murray Jones gebildet. Der Einheitskat erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 25 Knoten.

Extreme 40. Der wohl schnellste Kat in der Kategorie der 40-Füsser, 2004 für das Volvo Ocean Race gebaut. Er ist gut zwölf Meter lang und 1250 Kilo leicht. Mit fünf Mann Besatzung erreicht die Jacht eine Geschwindigkeit von 40 Knoten. Alinghi trainiert in Valencia mit zwei dieser Kats. «Das ist ein Boot, das sehr einfach zu segeln ist», sagt Nils Frei. Der Trimmer gehört heute zum Kernteam der Alinghi-Segler. Seit 2007 gibt es mit dem iShare-Cup einen europäischen Circuit, an dem auch Alinghi teilnimmt. An der ersten Regatta in Lugano kenterte die Jacht der Schweizer in einer Gewitterböe. In Hyères siegte das Team jedoch und liegt nun im Zwischenklassement an zweiter Stelle. Nächstes Wochenende kommt es an der Skandia Cowes Week zu einem Duell mit BMW Oracle. Am Steuer wird der Australier James Spithill stehen, nachdem Russel Coutts vor kurzem bekanntgab, dass er am nächsten America's Cup nicht steuern wolle. Bei Alinghi wird Ed Baird diese zentrale Position einnehmen. Der Amerikaner wird voraussichtlich auch im Cup am Steuer stehen.

Le Black und Orma 60. Le Black ist ein 41-Fuss-Katamaran, der im Jahr 2000 gebaut und von Ernesto Bertarelli drei Jahre lang erfolgreich in der Bol d'Or auf dem Genfersee eingesetzt wurde. Danach wurde das Boot in einem Schuppen eingemottet. Nun wurde es reaktiviert und nach Valencia transportiert. Der 12,5 Meter lange und 1850 kg schwere Kat wird vor allem als Test-Plattform genutzt. «Diese Jacht ist eine ideale Ergänzung in unserem Mehrrumpf-Programm. Sie ist ausserdem für die Designer ein gutes Instrument, um die Mehrrumpf-Boote besser zu verstehen», sagt der Schweizer Pierre-Yves Detrey. So wird der Katamaran auch von den Designern des neuen Cup-Boots gesegelt. Um die Hälfte grösser sind die Trimarane, mit denen Alinghi in Lorient trainiert. Der Orma-60-Mehrrümpfer (siehe grosses Foto) ist 18,28 Meter lang und fast gleich breit. Er wurde bis vor kurzem vor allem in Offshore-Rennen (vorwiegend über den Atlantik) eingesetzt, wird nun aber von den grösseren Orma 70 abgelöst. Die Orma-60-Tris sind bis zu 75 km/h schnell. Das Cup-Boot wird möglicherweise ähnlich aussehen. (wr.)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

sehr intiresno, danke